Viva Riva!

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Kinshasa ist eine Stadt mit pulsierendem Nachtleben, immer dazu bereit für immer weiter zu machen. Die wenigen Glücklichen, die alles haben, leben ein Luxusleben und schauen nie zurück auf die, die nichts haben und in Neid leben und  von ihrem Moment als König und Königin der Nacht träumend.
Riva ist einer dieser Träumer, der nichts hatte, bis er nach zehn Jahren zurückkehrt, die Taschen voller Geld und die Zeit seines Lebens haben möchte. Mit seinem alten Kollegen J.M. beginnt er eine Nacht voller Alkohol, Tanz und Ausschweifungen. Die Königin der Nacht, die mysteriöse, distanzierte Schönheit Nora, verführt ihn. Egal, dass sie einem lokalen Gangster gehört – Riva muss sie haben…
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In Kinshasa wird das Benzin knapp. Während auf den Straßen der Verkehr erlahmt, setzt sich in der Unterwelt der Riesenstadt eine unglaubliche Maschinerie in Gang, die immer mehr an Fahrt gewinnt. Eine Schmugglerbande aus dem benachbarten Angola hat Benzin gebunkert, das aber erst verkauft werden soll, wenn die Preise noch weiter gestiegen sind – und klar ist, in wessen Taschen das Geld landen wird. Ein wilder, wahnsinniger Kampf um die Position des Königs der Unterwelt bricht aus. Und der smarte Riva verguckt sich ausgerechnet in die umwerfend schöne Freundin seines Gegenspielers. Im schwülen SaiSai-Club beginnt der Tanz auf dem Vulkan.
Der Debütfilm des jungen Kongolesen ist ein rasanter Thriller, so angstfrei inszeniert, wie seine Helden mit Waffen umgehen. Sex, Gier, Gewalt und Geld treiben die atemlos erzählte Geschichte voran, im Rhythmus der Stadt, die dieses Tempo all ihren Bewohnern abverlangt. Dabei verblüfft die Eleganz, mit der Munga mit cinematografischen Konventionen zu spielen versteht – als Genrefilm wird VIVA RIVA! Kinshasas heimlicher Reputation als trendsetting city in sämtlichen Modeangelegenheiten mehr als gerecht. Dermaßen gut gekleidete Gangster hat man im Kino lange nicht gesehen. Dorothee Wenner
Kinshasa, ohne Angst und Scham
Mit Viva Riva! wollte ich eine neue Form finden, um über das heutige Leben in Kinshasa zu sprechen – und um zu beschreiben, was in meiner Heimatstadt funktioniert und was nicht. Ich hatte außerdem das Gefühl, dass der richtige Zeitpunkt gekommen war, um Aspekte des Lebens in der Hauptstadt zu schildern, von denen jeder weiß, über die aber niemand öffentlich spricht.
Riva kehrt nach zehnjähriger Abwesenheit nach Hause zurück; er hat die Taschen voller Bargeld und kann tun, wovon jeder junge Mann in Kinshasa träumt. Für eine schöne Nacht voller Ausgelassenheit ist er der König – und er sorgt dafür, dass diese Nacht niemals zu Ende geht, indem er sich spöttisch über die simple Wahrheit hinwegsetzt, dass er bei Tageslicht ein Niemand ist. Wohin soll er sich wenden? Diese Frage interessiert niemanden.
In den vergangenen 20 Jahren haben die Einwohner von Kinshasa in einem Tollhaus gelebt und alle niederschmetternden Erfahrungen gemacht, die man sich nur vorstellen kann: Krieg, Verbrechen, Korruption, Lebensmittel- und Energieknappheit, Armut und das Zerbrechen familiärer Strukturen. Trotzdem geht das Leben dieser Menschen weiter.
Als bekannt wurde, dass wir einen Film drehten, begannen uns Menschen aus der Community zu helfen, wo sie nur konnten. Wir waren während der Dreharbeiten ständig darauf vorbereitet, Szenen zu ändern, ganz herauszunehmen oder spontan zu improvisieren. Manchmal erzählten wir Leuten von dem Film, wenn wir in ihren Wohnungen, an ihren Arbeitsplätzen oder mit ihren Autos drehen wollten. In fast allen Fällen war ihre Antwort: „Ja, einverstanden.” Ich frage mich, in wie vielen anderen Städten wir so viel Kooperationsbereitschaft angetroffen hätten.
Weil es im Kongo keine Schauspielschulen gibt, veranstalteten wir zunächst ein Casting, in dem sehr kleinen Umfeld der Theatergruppen in Kinshasa und danach eine wesentlich größer angelegte zweite Casting-Runde. Wir wollten Darsteller aus der Stadt finden, die etwas Persönliches, eine gewisse Lebhaftigkeit in den Film mit einbringen konnten; ansonsten wäre der Stil von VIVA RIVA! zu sehr einem dokumentarischen Realismus verhaftet geblieben.
Ein ausführlicher Casting-Prozess
20 Kandidaten wurden ausgewählt, um an einem Workshop teilzunehmen, in dem ihre Eignung für die Leinwand getestet wurde, aber auch Tai-Chi, Tanz und andere Übungen praktiziert wurden, durch die die Darsteller lernen sollten, sich bewusster zu bewegen. Aus dieser Arbeit entwickelten wir eine präzisere Vorstellung von einzelnen Figuren. Wir luden einige der Teilnehmer zu einem zweiten Workshop ein, in dem wir zwei Monate lang noch detaillierter an den Rollen arbeiteten – allerdings ohne festgelegte Dialoge, die erst später hinzukamen. Die Dialoge im fertigen Film sind ausnahmslos vorformuliert gewesen, keiner wurde improvisiert.
Mit der Produktion schien alles zu klappen und uns wurde klar, was für eine große Gelegenheit sich damit bot. Die Zeit war reif, dass wir uns eine neue Welt vorstellen und die Handlung weiterentwickeln konnten. Besonders die Schauspieler zeigten ein pionierhaftes Selbstvertrauen.
Einer der schwierigsten Aspekte der Produktion bestand darin, dass ich Nacktszenen vorgesehen hatte – etwas, das in der afrikanischen Kultur ein absolutes Tabu ist. Zuerst hatten wir deshalb daran gedacht, mit europäischen oder amerikanischen Schauspielern zu arbeiten. Dann aber drängte mich einer meiner Assistenten, ein junger kongolesischer Dokumentarfilmer, einige junge Mädchen aus Kinshasa zu fragen, ob sie diesen Part übernehmen würden. Ich erklärte ihnen, dass ich die Stadt und ihr Club-Leben möglichst authentisch porträtieren wollte – wir alle wissen, was hinter den verschlossenen Türen geschieht. Ich wollte, dass mein Film realistisch wird.
Unser Arbeitsstil bei VIVA RIVA! war entschieden modern. Der Film zeigt teilweise sehr harte Situationen; wir hoffen, dass dies dazu beiträgt, mit einigen der überholten Vorstellungen von Afrika und afrikanischer Kunst aufzuräumen. Unser Ziel war es, einfach zu arbeiten, ohne Angst- oder Schamgefühle darüber, wer wir sind und mit welchen Themen wir heute zu tun haben.
Ich hoffe, dass dieser Film vor allem den jungen Menschen, die ihn sehen, ein überzeugendes Argument dafür liefert, dass wir es als Gemeinschaft schaffen können – und dass das Kino ein Teil unseres Lebens sein kann. Unter der Diktatur durften wir nicht einmal daran denken, Filme zu machen, und Dutzende kongolesischer Filmemacher gingen freiwillig ins Exil. Ein junger Künstler, den ich vor acht Jahren kennenlernte, hielt mich für verrückt, als ich ihm erzählte, dass ich in der Demokratischen Republik Kongo Filme machen wollte. Dann kam er während der Dreharbeiten zu
VIVA RIVA! vorbei und erlebte die Energie, die während der Arbeit unter den Mitwirkenden herrschte. Jetzt glaubt auch er an das, was möglich ist. Unsere Zukunft kann anders sein als unser jetziges Leben, wenn wir es wirklich wollen.
Djo Tunda wa Munga
Benzinschmuggel und Sex
Der Autor und Filmemacher Djo Tunda wa Munga hat mit seinem von Anfang bis Ende explosiven Film VIVA RIVA! den Kongo als das afrikanische Zentrum des Kinos etabliert, das es verdient, beachtet zu werden. Der Film schwelgt in Genre-Details und erinnert in seiner Mischung aus exzessiver Action und Stil an Tony Scotts Filme; er ist ein Reißer, in dem es um Benzinschmuggel, Betrug, leidenschaftliche Erotik und Sex geht.
Riva, ein sympathischer Gauner in Kinshasa, versucht, mit Hilfe einiger zwielichtiger Gesellen eine große Ladung teuren Benzins aus Angola ins Land zu schmuggeln. Dabei wird seine Aufmerksamkeit verständlicherweise von der attraktiven Nora abgelenkt, die die Geliebte des brutalen Gangsterbosses Azor in Kinshasa ist. Von Ganoven umringt, muss Riva viele Risiken eingehen. Munga behält, genau wie sein Held, die Nerven. Antoine Rochs digitale Kamera und Yves Langlois’ präziser Schnitt unterstützen den Filmemacher bei der Verwirklichung eines Films, der weder afrikanisches Kunstkino noch ‚Nollywood’-Eskapismus ist.
Robert Koehler, Variety, New York, 26. September 2010
Ein glanzvolles Afrika
Man weiß nie, was einen erwartet, wenn man in einen Film geht aus einem Land, das bisher wenige Filme produziert hat – wie die Demokratische Republik Kongo. Tatsächlich ist dem jungen Kino dieses Landes die Realisierung eines Action-Films perfekt geglückt.
VIVA RIVA! ist die Dritte-Welt-Variation einer Anti-Utopie, die ihre Wurzeln in der zeitgenössischen gesellschaftspolitischen Situation hat. Im Kongo herrscht Benzinknappheit, die diejenigen, die Kraftstoff – auf welchen Wegen auch immer – importieren können, zu einer großen Nummer in der Hauptstadt Kinshasa aufsteigen lässt.
Die 90-minütige Rache-Story ist rasant und beschränkt sich nicht auf die Darstellung der alltäglichen Misere, unter der ein großer Teil von Mungas Heimatland zu leiden hat. Obwohl der Film durchaus einige gar nicht subtile Stellungnahmen enthält, will er doch vor allem unterhalten; die üblichen Themen wie Korruption, Armut, Ausbeutung und Verlust sind zusätzliche Bestandteile von VIVA RIVA!.
Munga nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn er die angespannten Beziehungen zwischen der Demokratischen Republik Kongo und dem benachbarten Angola anspricht. (…) Ich bin mir nicht sicher, ob mit diesem Film die große Ära des zentralafrikanischen Kinos beginnt, wie es sich der Filmemacher erträumt. Aber ich glaube auch gar nicht, dass dies seine Hauptintention war. Viele Filmemacher hätten in ihrem Debüt der Welt die Realität in Afrika gezeigt und damit ein Statement abgegeben. Munga hat sich stattdessen entschlossen, ein stilisiertes, glanzvolles Afrika zu zeigen, das dennoch ganz in seinen tatsächlichen Problemen und Ärgernissen befangen ist (Stromausfall ist ein Running Gag) und in dem sich das afrikanische Publikum wiedererkennen kann.
Shane McNeil, http://thetfs.ca (Toronto Film Scene), 12. September 2010

Details

  • Länge

    98 min
  • Land

    Kongo, Frankreich, Belgien
  • Vorführungsjahr

    2011
  • Herstellungsjahr

    2010
  • Regie

    Djo Tunda wa Munga
  • Mitwirkende

    Patsha Bay Mukuna, Manie Malone, Hoji Fortuna, Alex Herbo, Marlene Longage, Diplome Amekindra, Angelique Mbumba, Nzita Tumba, Jordan N’Tunga
  • Produktionsfirma

    Formosa Productions, Paris
  • Berlinale Sektion

    Forum
  • Berlinale Kategorie

    Spielfilm

Biografie Djo Tunda wa Munga

Djo Tunda wa Munga wurde am 25. Oktober 1972
im Kongo geboren. Nach einem Studium der Filmregie am belgischen Institut National Supérieur
des Arts du spectacle et des techniques de diffusion (INSAS) kehrte er in sein Heimatland zurück.
Seither engagiert er sich für den jungen kongolesischen Film. 2006 lieferte er das Drehbuch zu einer Folge der 12-teiligen Serie Zacle Presents, die
sich mit dem Thema AIDS beschäftigt. Viva Riva!
ist sein erster abendfüllender Spielfilm.

Filmografie Djo Tunda wa Munga

2009 Papy