Combat

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"COMBAT" ist der dritte und letzte Teil des filmischen Tagebuchs "L‘irrégularité de la déchirure", das Patrick Carpentier seit 2003 führt. Zwei junge Männer kämpfen miteinander. Sie schlagen sich sehr heftig. Und doch bleibt ihr Tun ein Akt der Liebe. Es gibt keinen Preis. Es gibt keinen Sieger. Es gibt keinen Stolz. Von einem kommentierenden Erzähler im Off ist eine seltsame Geschichte zu hören, in der dieser das Ausmaß seiner Sehnsucht wiederentdeckt. Fragen drängen sich auf: Fügt einem der andere oder fügt man sich selbst Schmerzen zu? Wie können wir unsere Zurückhaltung aufgeben in einer Welt, die uns lehrt, dies nicht zu tun? COMBAT seziert gleichsam den Schmerz und die Hingabe.
Über die Trilogie L‘irrégularité de la déchirure
Patrick Carpentiers L‘irrégularité de la déchirure ist eine sehr persönliche Reise entlang der kurzlebigen Liebesgeschichten des Autors, die fiktive und dokumentarische Elemente miteinander verbindet: zweieinhalb Jahre Sinnlichkeit, um sich mit dem Thema Intimität zu beschäftigen, eine Erkundung von Sehnsucht und Vernunft. Der erste Teil, GOD IS A DOG, konfrontiert den Autor mit sich selbst in einem Spiegel aus Super8-Bildern, die von Kindheitserinnerungen und von Erinnerungen an Liebesbegegnungen und Trennungen unterbrochen werden. LES 9 MARDIS, der zweite Teil, schildert die Absurdität der vergehenden Zeit, der Zeit, die Kindheitswunden wieder aufreißt und heilt, der Zeit, die die Unmöglichkeit zu lieben in einen Rhythmus bringt, der Zeit, die einem den Mut zum Weitermachen gibt. Den Mut, Trauer zu überstehen. COMBAT, der dritte Teil, hat eher fiktionalen Charakter und fragt den Zuschauer: Wie können wir unsere Zurückhaltung aufgeben in einer Welt, die uns lehrt, dies nicht zu tun? Ist es möglich, ans Ende der Sehnsucht zu gelangen? Von GOD IS A DOG zu COMBAT. Von der Vergangenheit zur Gegenwart, von Super8 zum digitalen Format, vom Dokumentarischen zum Fiktionalen.
Patrick Carpentier 
Der Regisseur über den Film
Tagebuchschreiben hat mehr mit einer Tat zu tun als mit einem Text. Es folgt einer Pflicht des Gedenkens, die gegen die Neigung des Gedächtnisses kämpft, Erinnerungen zu vernichten oder zu beschönigen. Eine Verwandlung. Tagebücher erlauben das Niederschreiben der Erinnerung an eine Verwandlung. L‘irrégularité de la déchirure ist ein kinematografisches Tagebuch in drei Teilen, an dem ich seit dem Frühling des Jahres 2003 arbeite und das von den Themen handelt, die mich am meisten beschäftigen: Intimität und das Verhältnis, das man zu seinem Körper hat, Sinnlichkeit, Begehren statt Vernunft, geliebte Menschen, Trauer und die eigene Zurückhaltung. ‘Ich‘ sagen, um über ‘uns‘ zu sprechen: Am Ende der Dreharbeiten zu LA PEUR TUE L'AMOUR, einem Dokumentarfilm, für den ich fünfundzwanzig Menschen interviewt hatte, wurde mir klar, dass ich während all dieser Gespräche immer zu einem bestimmten Zeitpunkt dachte: „Er/ Sie spricht über mich.“ Ich fand diese Idee beruhigend; sie verwies mich auf eine Art von Universalität. Sind wir womöglich alle gleich? Haben wir womöglich alle dieselben Fragen, dasselbe Bedürfnis nach Liebe? Ich habe darauf nicht wirklich eine Antwort. Wenn ich darüber spreche, wer ich bin, wie ich lebe, wenn ich über meine Begegnungen mit anderen Menschen, meine Leiden, meine Freuden spreche – und das ohne zu moralisieren, ohne zu urteilen –, dann bin ich überzeugt davon, dass ich dann nicht nur über mich und meine Intimität spreche, sondern zugleich über uns alle. Das filmische Tagebuch als Übergang vom Dokumentarischen zum Fiktionalen: Mein erster Film, ein für die Rockband Venus gedrehter 16mm-Videoclip, ist bisher meine einzige vollkommen fiktional angelegte Arbeit. Seitdem haben alle meine Filme einen Hang zum Dokumentarischen, entweder im experimentellen oder eher herkömmlichen Sinne, so wie LA PEUR TUE L'AMOUR. Während der Realisierung der einzelnen Teile von L‘irrégularité de la déchirure überraschte ich mich selbst damit, wie ich die Filme entstehen ließ: ausschließliche Konzentration auf den Schnitt bei GOD IS A DOG, der um lange vor der Produktion des Films gedrehte Super8-Sequenzen herum gebaut ist, und tagtägliche Dreharbeiten, bei denen es allein um Momente meines Lebens ging, für LES 9 MARDIS. COMBAT, den dritten und letzten Teil meines Tagebuchs, wollte ich fiktionalisieren. Dies gestattete mir, weiterzugehen, erlaubte mir, Schauspieler einzusetzen, die archetypische Charaktere verkörpern. Ein kleiner Teil des kollektiven Unbewussten geht in die von mir konstruierte Welt ein. Sehnsucht, Schmerz und Hingabe: COMBAT erzählt im Wesentlichen die Geschichte einer unerwarteten Begegnung, die in ihrer Mischung aus Gewalt und Zärtlichkeit mein Verlangen erregte – die Geschichte einer lustvollen Begegnung, die in Extrembereiche des Verlangens vordringt. Man folgt einer Stimme im Off. Man folgt einem Klang. Einem Schlag. Einem Schlag, der sich erinnert. Einem Schlag, der Angst hat. Der Film ist aber auch die Geschichte zweier junger Männer, die sich für einen Nahkampf ohne Zeugen in die Wälder zurückziehen. Sie sind allein. Weit entfernt von der Stadt und ihren Ablenkungen. Sie sind nicht auf der Suche nach einem Absoluten, sie leben einfach, was sie leben müssen. Sie denken nicht, sie leben. Ein Kontrast. Eine ruhige Stimme inmitten der Qualen überall. „Wenn ich alleine bin, denke ich. Und wenn ich denke, habe ich Angst.“ Dies ist ein Film über die Furcht vor der Hingabe, vor dem Loslassen. Eine Sektion des Schmerzes.
Patrick Carpentier

Details

  • Länge

    57 min
  • Land

    Belgien
  • Vorführungsjahr

    2006
  • Herstellungsjahr

    2006
  • Regie

    Patrick Carpentier
  • Mitwirkende

    Léo Joris, Tomas Matauko
  • Produktionsfirma

    Thank You & Good Night productions, Brüssel
  • Berlinale Sektion

    Forum
  • Berlinale Kategorie

    Spielfilm
  • Teddy Award Gewinner

    Teddy Jury Award

Biografie Patrick Carpentier

Patrick Carpentier wurde am 22. März 1966 in Brüssel, Belgien, geboren. Nach einer Ausbildung an der Kleine-Académie-Theaterschule (Brüssel) arbeitete Patrick Carpentier während der neunziger Jahre als Schauspieler, Regisseur und Bühnenbildner für ein Dutzend Theaterproduktionen. Zwischen 1997 und 2001 war er Mitglied der Rockgruppe Venus und zeichnete für die Bühnenausstattung, Videos und CD-Cover der Band verantwortlich. Seit 2002 ist er überwiegend als Filmemacher tätig, wobei seine mehr persönlichen Werke mit Auftragsarbeiten abwechseln. Außerdem stammen mehrere Installationen von ihm, die im Rahmen diverser Kollektivausstellungen gezeigt wurden.

Filmografie Patrick Carpentier

2003 La peur tue l'amour